Nykturie – wenn die Blase nachts keine Ruhe gibt

Schlafen ist bekanntlich die beste Medizin. Doch was tun, wenn uns die Blase nachts um den Schlaf bringt und wir immer wieder zur Toilette gehen müssen? Hier findest Du Antworten auf diese und andere Fragen rund um den nächtlichen Harndrang, der auch als Nykturie bezeichnet wird.

Mehrmals mitten in der Nacht aufstehen und Wasser lassen – das ist lästig und auf Dauer anstrengend. Solltest Du regelmäßig von starkem Harndrang wach werden, kann es sein, dass Du von Nykturie betroffen bist. So wird der häufige nächtliche Harndrang medizinisch bezeichnet. Obwohl dies keine Krankheit ist, solltest Du die Beschwerden nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn je länger Du unter nächtlichem Harndrang leidest, desto mehr nehmen die gesundheitlichen Risiken zu. Beispiele sind chronische Schlafstörungen, Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit im Alltag, geringere Lebensqualität, Niedergeschlagenheit bis hin zu Depression. Besonders bei älteren Menschen steigern nächtliche Toilettengänge zudem die Sturz- und Verletzungsgefahr. Es ist also sinnvoll, frühzeitig ärztliche Hilfe zu suchen, um den Ursachen von Nykturie auf den Grund zu gehen. 

Definition:


Ein nächtlicher Toilettengang gilt in der Regel als normal – besonders wenn er nicht als störend empfunden und der Schlaf anschließend schnell wiedergefunden wird. Zwei oder mehr Toilettengänge pro Nacht, die den Schlaf stören oder die Lebensqualität beeinträchtigen, werden medizinisch als Nykturie bezeichnet.

Mögliche Ursachen für Nykturie

Übermäßiger nächtlicher Harndrang, also mehr als zwei Toilettengänge pro Nacht, ist keine normale Begleiterscheinung des Alters. Bereits junge Erwachsene ab 20 Jahren können betroffen sein, und zwar sowohl Frauen als auch Männer.  
Übrigens. Nicht grundsätzlich steckt hinter Nykturie eine Erkrankung. Oftmals gibt es auch harmlose Erklärungen dafür, dass uns die Blase nachts auf die Toilette treibt. Dazu gehören eine hohe Flüssigkeitsaufnahme kurz vor dem Schlafengehen, der Genuss von Alkohol oder die Einnahme entwässernder Medikamente am Abend.  
Ursächlich kann ebenfalls sein, dass unser Körper nachts zu viel Urin produziert (nächtliche Polyurie) oder die Kapazität der Harnblase kleiner geworden ist. Zudem ist es möglich, dass die ableitenden Harnwege gestört sind.  

Zu den bekannten Auslösern von nächtlichem Harndrang gehören beispielsweise:

 

Häufigkeit von Nykturie


In Deutschland ist nächtlicher Harndrang weit verbreitet: Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) berichten rund 23 % der Erwachsenen, mindestens einmal pro Nacht aufstehen zu müssen. Bei Menschen über 60 Jahren sind es sogar mehr als 60 %.
Auch international zeigen Studien ein ähnliches Bild: Laut metajournal liegt die Gesamtprävalenz (also das Vorkommen) für Nykturie bei 60–80 jährigen bei 77 %.

Die Blasenschleimhaut

Die Blasenschleimhaut bildet die innere Schutzschicht der Blase und sorgt dafür, dass Urinbestandteile die empfindlichen Gewebeschichten nicht reizen. Wird diese Schutzbarriere geschwächt – etwa durch Entzündungen, hormonelle Veränderungen oder bestimmte Medikamente –, kann die Blase empfindlicher reagieren und schon bei geringer Füllmenge Harndrang auslösen. 


Nächtliche Polyurie

Bei manchen Menschen – insbesondere im höheren Alter – wird nachts zu wenig des antidiuretischen Hormons (ADH) ausgeschüttet. Hierbei handelt es sich um ein körpereigenes Hormon, auch Vasopressin genannt, dessen Aufgabe es ist, die Wassermenge im Körper zu regulieren. Wird zu wenig ADH ausgeschüttet, produzieren die Nieren zu viel Urin, und man muss häufiger aufstehen. Diese Form der Nykturie nennt man nächtliche Polyurie. In solchen Fällen können passende Medikamente helfen, die Urinmenge zu verringern und den Schlaf zu verbessern.

Abklärung ist wichtig

Erste Anlaufstelle, um die Ursache für nächtlichen Harndrang zu finden, ist die Hausärztin oder der Hausarzt. Von dort wirst Du gegebenenfalls an eine urologische Praxis überwiesen. Hilfreich kann sein, wenn Du im Vorfeld der ärztlichen Untersuchung ein Miktionstagebuch führst, in dem Du mehrere Tage lang notierst, wann und was Du trinkst und wann Du welche Menge Urin ausscheidest. Ein entsprechendes Formular zum Ausdrucken findest Du hier. Damit bekommt Deine Ärztin beziehungsweise Dein Arzt einen guten Eindruck über Dein Trinkverhalten sowie über die Funktionalität Deiner Blase. Darüber hinaus können urologische Tests, etwa eine Restharnbestimmung, eine Urinuntersuchung oder eine Harnblasendruckmessung, Aufschluss über Deine Blasengesundheit geben. 

Therapiemöglichkeiten bei nächtlichem Harndrang

Ist die Ursache für die Nykturie gefunden, kann der Harndrang behandelt werden, sodass die Blase nachts wieder zur Ruhe kommt. 


Antibiotika bei bakteriellen Harnwegsinfektionen

Wenn eine bakterielle Harnwegsinfektion hinter der Nykturie steckt, können Antibiotika notwendig sein. Sie bekämpfen die Keime, die Entzündungen in Blase oder Harnröhre verursachen, und führen meist rasch zu einer Besserung der Symptome – auch des nächtlichen Harndrangs. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach dem Erreger, der im Urin nachgewiesen wird. Wichtig ist, das Medikament genau nach ärztlicher Anweisung einzunehmen und die Behandlung nicht vorzeitig abzubrechen, auch wenn die Beschwerden bereits nachlassen. So wird verhindert, dass die Infektion erneut auftritt oder Resistenzen entstehen.

Hormontherapie in den Wechseljahren

Bei Frauen kann nächtlicher Harndrang auch im Zusammenhang mit hormonellen Veränderungen während der Wechseljahre stehen. Ein sinkender Östrogenspiegel führt häufig dazu, dass die Schleimhäute im Vaginal- und Blasenbereich dünner und empfindlicher werden. Das kann die Blasenfunktion beeinträchtigen und den Harndrang verstärken – auch nachts. In solchen Fällen kann eine lokal angewendete Östrogentherapie (z. B. in Form von Cremes, Vaginalzäpfchen oder -ringen) helfen, die Schleimhäute zu stärken und Beschwerden zu lindern. 


Blasentraining und Beckenbodentraining

Oft hilft gezieltes Training, um die Kontrolle über die Blase zu verbessern. Beim Blasentraining geht es darum, die Abstände zwischen den Toilettengängen schrittweise zu verlängern. Dadurch lernt die Blase, größere Urinmengen zu speichern, bevor Harndrang auftritt. Das Beckenbodentraining stärkt die Muskulatur, die Harnröhre und Blase stützt. Regelmäßig ausgeführt kann es ungewollten Urinverlust verhindern und die Blasenfunktion insgesamt verbessern. Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die auf Kontinenztherapie spezialisiert sind, können dabei gezielt anleiten und den Trainingsfortschritt begleiten.

Medikamente gegen Nykturie

Wenn ärztlich abgeklärt wurde, was hinter dem nächtlichen Harndrang steckt, können Medikamente helfen, die Blasenfunktion zu stabilisieren oder die nächtliche Urinproduktion zu verringern. Dabei kommen – je nach Ursache – unterschiedliche Wirkstoffe infrage.

  • Desmopressin ist ein synthetisches Hormon, das die nächtliche Urinproduktion reduziert. Es wird vor allem dann eingesetzt, wenn die Ursache eine sogenannte nächtliche Polyurie ist, also eine übermäßige Urinbildung in der Nacht. Studien zeigen, dass Desmopressin die Häufigkeit nächtlicher Toilettengänge deutlich verringern kann – insbesondere bei älteren Menschen.
  • Wenn die Nykturie mit einer überaktiven Blase zusammenhängt, können Anticholinergika oder Beta-3-Agonisten (z. B. Mirabegron) helfen, die Blasenmuskulatur zu entspannen und den Harndrang zu reduzieren.
  • Bei Männern mit vergrößerter Prostata (benigne Prostatahyperplasie) wird häufig eine Kombination aus Medikamenten verwendet, etwa Alpha-Blocker oder 5-Alpha-Reduktasehemmer, die den Harnabfluss verbessern und damit auch nächtliche Beschwerden lindern können. 

Wichtig ist: Medikamente können die Beschwerden deutlich verbessern, sie ersetzen aber keine Ursachenbehandlung. Ein individuell abgestimmter Therapieplan – idealerweise kombiniert mit Lebensstil- und Verhaltensempfehlungen – erzielt in der Regel die besten Ergebnisse.


Wenn die Psyche mitredet

Auch seelische Belastungen, Stress oder anhaltende innere Anspannung können die Blasenfunktion beeinflussen. Bei manchen Menschen reagiert die Blase besonders empfindlich auf Stresshormone – der Körper bleibt „auf Alarm“, auch nachts. Das kann dazu führen, dass der Harndrang häufiger auftritt, obwohl keine körperliche Ursache vorliegt. Hier hilft es, gezielt für seelische Entlastung und Entspannung zu sorgen. Entspannungsverfahren wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Atemübungen können helfen, das Nervensystem zu beruhigen und den Harndrang zu verringern. Wer unter dauerhaftem Stress, Sorgen oder Schlafproblemen leidet, kann auch von einer psychotherapeutischen Begleitung profitieren. Schon wenige Gespräche mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten können helfen, Zusammenhänge besser zu verstehen und neue Wege zu finden, mit Belastungen umzugehen – und damit auch die Blase zu entlasten.

Zehn Tipps für eine gute Blasengesundheit

Um nächtlichen Harndrang zu verringern oder möglichst zu vermeiden, hilft es, wenn Du im Alltag auf Deinen Lebensstil achtest.  Hier unsere zehn Tipps, die Dir und Deiner Blase guttun – nachts wie tagsüber:

  • 1. Möglichst salzarme und vollwertige Kost zu sich nehmen.
  • 2. Mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit (am besten Mineralwasser, stark verdünnte Saftschorlen oder ungesüßte Getränke) über den Tag verteilt trinken.
  • 3. Am Abend auf Alkohol, Kaffee, Tee und andere koffeinhaltige und harntreibende Getränke verzichten.
  • 4. Zwei Stunden vor dem Schlafengehen auf Getränke verzichten.
  • 5. Auf ausreichend Bewegung achten, sowohl am Tag als auch am Abend.
  • 6. Tagsüber die Beine hochlegen.
  • 7. Übergewicht vermeiden.
  • 8. Eingenommene Medikamente auf Nebenwirkungen überprüfen.
  • 9. Entspannungsübungen in den Alltag einbauen.
  • 10. Stress vermeiden. 

Hausmittel, die Deine Blase beruhigen

Auch einfache Hausmittel können dazu beitragen, nächtlichen Harndrang zu lindern und die Blase zu entlasten. Bewährt haben sich zum Beispiel Blasen- und Nierentees mit Heilpflanzen wie Brennnessel, Goldrute oder Birkenblättern, die eine sanft entwässernde und entzündungshemmende Wirkung haben. Wärme – etwa in Form einer Wärmflasche oder eines warmen Bads vor dem Schlafengehen – kann helfen, die Muskulatur zu entspannen und das Druckgefühl in der Blase zu reduzieren. Wer zu Blasenreizungen neigt, sollte außerdem auf ausreichende, aber gleichmäßig verteilte Flüssigkeitszufuhr achten und abends koffein- und alkoholhaltige Getränke meiden. Diese einfachen Maßnahmen können den Körper unterstützen, ersetzen jedoch keine ärztliche Abklärung, wenn der nächtliche Harndrang anhält.

Mehr als nur eine Störung des Schlafs

Der störende nächtlicher Harndrang kann Männer und Frauen jeden Alters betreffen und beeinflusst weit mehr als nur die Nachtruhe. Wer mehrmals pro Nacht aufstehen muss, fühlt sich am nächsten Tag oft müde, unkonzentriert oder gereizt. Dauerhafte Schlafunterbrechungen können sich auf die Leistungsfähigkeit im Beruf, die Stimmung und das allgemeine Wohlbefinden auswirken. Viele Betroffene planen ihren Tagesablauf sogar rund um ihre Blase – etwa durch eingeschränkte Flüssigkeitsaufnahme oder ständige Toilettensuche. Umso wichtiger ist es, die genaue Ursache Deiner Kontinenzprobleme abklären zu lassen. Wende Dich deshalb vertrauensvoll an einen Spezialisten oder eine Spezialistin. Mit einem gesunden Lebensstil können Betroffene zudem selbst eine Menge tun, um ihren Harndrang zu verringern und ihre Blasengesundheit zu verbessern. Schon kleine Veränderungen im Alltag können dazu beitragen, wieder ruhiger zu schlafen und sich tagsüber wohler zu fühlen.




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