Ein starker Beckenboden dank Elektrostimulation

Was ein Bauchweggürtel mit Inkontinenz zu tun hat? So einiges und doch nicht viel. Warum Strom nicht wirklich schlank macht, wie eine Elektrostimulation gegen Inkontinenz hilft – und wann und für wen eine solche Elektrostimulation, die mittels elektrischer Reize den Beckenboden stärkt, sinnvoll sein kann.

Kennst Du noch den Bauchweggürtel, der versprach, in Nullkommanichts zu einem Waschbrettbauch zu gelangen? Ohne eigenes Zutun sollten wir so zu einem flachen, muskulösen Bauch kommen. Hört sich perfekt an, oder? Du kannst Dir wahrscheinlich schon denken, dass es so einfach nicht ist: Um tatsächlich einen flacheren Bauch zu erreichen, ist eine Kombination aus regelmäßiger Bewegung, gesunder Ernährung und einem aktiven Lebensstil erforderlich – übrigens auch hilfreich, wenn es unten tröpfelt.

Anders sieht es tatsächlich bei der Elektrotherapie aus, auch Reizstromtherapie genannt, als Mittel gegen verschiedene Formen von Inkontinenz. Und dabei ist das Prinzip ganz ähnlich wie beim Bauchweggürtel: Mithilfe von elektrischen Impulsen werden die Muskeln des Beckenbodens stimuliert, Muskelkontraktionen werden ausgelöst, dieser wichtige Bereich wird gestärkt. Der Einsatz der Reizstromtherapie als Mittel gegen Inkontinenz ist jedoch im Gegensatz zum Bauchweggürtel eine von Experteninnen und Experten anerkannte Form der Therapie. Neben medikamentöser Behandlung, Physiotherapie oder Operationen hat sich in den zurückliegenden Jahren die Therapie als vielversprechende Option zur Behandlung von Inkontinenz herauskristallisiert. Aber wann genau ist eine Elektrotherapie sinnvoll und wie funktioniert sie eigentlich? Dafür müssen wir zuerst verstehen, welche Funktion der Beckenboden hat. 

Warum ist der Beckenboden so wichtig?

Der Beckenboden ist der untere Abschluss des Beckens und hat die Aufgabe, die Organe im Bauchraum zu halten. Er besteht aus Bindegewebe, Bändern und mehreren Muskelschichten, die wie ein Geflecht angeordnet sind und das nach unten offene Becken komplett verschließen. Lediglich für die Harnröhre, den Enddarm und bei der Frau für die Vagina gibt es Öffnungen in der Beckenbodenmuskulatur. Ein kräftiger und gesunder Beckenboden sorgt dafür, dass die Blase, der Darm und bei Frauen die Gebärmutter an Ort und Stelle gehalten werden. Der Beckenboden steuert zudem durch Anspannen und Entspannen den Stuhlgang sowie das Wasserlassen. Schöner Nebeneffekt: Eine starke Beckenbodenmuskulatur sorgt für ein intensiveres Empfinden beim Sex
 
Ist die Muskulatur des Beckenbodens zu schwach, kann das zu erheblichen Problemen wie Stuhl- oder Harninkontinenz führen. Davon sind sowohl Frauen als auch Männer betroffen. Die Ursachen sind vielfältig. Bei Frauen kommt hinzu, dass die großen Muskeln des Beckenbodens schwächer ausgeprägt sind als bei Männern. Zudem haben sie mit der Vagina eine zusätzliche dritte Öffnung, die relativ groß ist. Schwangerschaft und Geburt sind letztendlich weitere Risikofaktoren, die einen schwachen Beckenboden begünstigen. Wenn herkömmliche Behandlungsmethoden mit Medikamenten oder Physiotherapie bei Blasenschwäche nicht die gewünschten Ergebnisse liefern oder nicht gut vertragen werden, kann die Elektrotherapie eine vielversprechende Alternative darstellen. Sie kann sowohl bei Belastungs- beziehungsweise Stressinkontinenz als auch bei Drang- oder Mischinkontinenz eingesetzt werden. 

Wie genau funktioniert es?

Die Elektrostimulation nutzt elektrische Impulse, um bestimmte Muskelgruppen zu stimulieren. Bei Inkontinenz konzentriert sich die Stimulation auf den Beckenboden und ist ein durch elektrische Reize erzeugtes Beckenbodentraining. Der oft zu schwache Beckenboden, der eine wichtige Rolle bei der Kontrolle des Harnflusses spielt, wird also zu seinem Glück gezwungen und mittels spezieller Geräte gestärkt. 

Anders funktioniert die sogenannte Biofeedback-Methode: Bei diesem Training bist du selbst gefragt und musst Deinen Beckenboden aus eigener Kraft trainieren. Du arbeitest also selbst über die Anspannung des Beckenbodens und lernst, Deine Muskeln zu kontrollieren. Biofeedback-Geräte verfügen über Sensoren, die Deine Muskelkontraktionen und Deinen Fortschritt messen und sichtbar machen.

Bei der Elektrostimulation unterscheidet man zwischen TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation) und EMS (Elektrische Muskelstimulation). EMS-Geräte stärken die Beckenbodenmuskulatur mithilfe von Vaginal- oder Analelektroden, die in Scheide oder After eingeführt werden, oder Oberflächenelektroden, die äußerlich auf die Haut aufgebracht werden. Durch die Stärkung können Betroffene die Kontrolle über die Blasenfunktion verbessern und die Symptome der Inkontinenz verringern. Auch die transkutane elektrische Nervenstimulation ist eine Form der Elektrostimulation, die eigentlich als Therapie zur Linderung von akuten oder chronischen Schmerzen dient. In Bezug auf Harninkontinenz wird TENS manchmal zur Behandlung von neurogenen Blasenfunktionsstörungen eingesetzt, bei denen die Nerven, die die Blasenfunktion kontrollieren, gestört sind. Es kann helfen, die Blasenfunktion zu regulieren und die Symptome der Blasenschwäche zu reduzieren. Die genaue Platzierung der Elektroden sollte individuell angepasst werden, um die bestmögliche Stimulation der Beckenbodenmuskulatur zu gewährleisten. Vor Beginn einer EMS-Behandlung bei Inkontinenz sollte unbedingt eine fachliche Beratung durch medizinisches Fachpersonal erfolgen, um eine angemessene Platzierung und Anwendung sicherzustellen. 

Verschiedene Frequenzen

Es gibt drei Stromformen, die in der Elektrotherapie Anwendung finden:

  • Niederfrequente Ströme im Bereich von 80 bis 100 Hertz (1 Hertz = 1 Impuls pro Sekunde) werden bei sensorischer Dranginkontinenz, Urethralsyndrom, Reizblase, idiopathischer (motorischer) Dranginkontinenz und Stressinkontinenz eingesetzt.
  • Mittelfrequente oder modulierte mittelfrequente Ströme finden bei Stress- und Dranginkontinenz Anwendung, vor allem auch bei älteren Patientinnen und Patienten.
  • Hochfrequente Ströme (Kurz- und Mikrowelle) werden bei einer zu hohen Muskelspannung zur Entspannung und Durchblutungsförderung eingesetzt.

Bei der klassischen elektrotherapeutischen Behandlung der Dranginkontinenz werden Impulse mit einer Frequenz von 5 oder 10 Hertz verwendet. Diese sollen Nervenfasern des Nervus pudendus („Schamnerv“) reizen und auf diese Weise das Gleichgewicht zwischen hemmenden und aktivierenden Einflüssen wiederherstellen. 

Vielversprechende Alternative

Eine elektrotherapeutische Behandlung kann also eine echte Alternative darstellen und bei nahezu allen Formen der Inkontinenz eingesetzt werden. Bevor eine Elektrotherapie durchgeführt werden kann, muss natürlich eine gründliche Untersuchung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt erfolgen, da die Elektrotherapie nicht für jeden geeignet ist und individuelle Faktoren wie die Ursache der Inkontinenz, der Gesundheitszustand der Patientin beziehungsweise des Patienten und persönliche Vorlieben berücksichtigt werden müssen. Insgesamt zeigt die Elektrotherapie bei Inkontinenz vielversprechende Ergebnisse und kann eine sinnvolle Behandlungsoption für bestimmte Patientengruppen darstellen.

Die gute Nachricht: Elektrotherapiegeräte und Kombinationsgeräte sind von den Krankenkassen anerkannte Hilfsmittel und können ärztlich verordnet werden.

Noch einmal zurück zum Bauchweggürtel: Wir finden, es gibt Wichtigeres als einen flachen, muskelbepackten Bauch, nämlich eine hohe Lebensqualität trotz Inkontinenz! Die Elektrotherapie kann dabei im Gegensatz zum Bauchweggürtel ein mögliches Mittel von vielen sein. Denn auch hier gehen verschiedene Dinge miteinander Hand in Hand: Auf Dich abgestimmte Physiotherapie, eine ausgewogene Ernährung und ein gesundes Trinkverhalten, Bewegung und der Einsatz von den für Dich passenden Kontinenzprodukten können Dir den Umgang mit Deiner Inkontinenz vereinfachen. 




Frequently asked questions

Inkontinenz – was hilft wirklich?




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