Harninkontinenz – eine Frage der Gene?

Alter, Geschlecht, Lebensstil, Psyche, körperliche Belastung – all dies sind bekannte Risikofaktoren für Blasenschwäche. Tritt Inkontinenz bereits frühzeitig auf, kann dies auch genetische Ursachen haben. Dies belegen verschiedene Studien. Die wichtigsten wissenschaftlichen Ergebnisse haben wir hier für Euch zusammengestellt.

Jeder Mensch ist unterschiedlich. Dies liegt auch an unseren Genen. Sie beeinflussen nicht nur unser Aussehen, wie etwa Augen- oder Haarfarbe, sondern auch unsere Gesundheit. Das heißt, schon mit der Geburt steht zum Beispiel fest, ob wir zu bestimmten Krankheiten neigen oder gewisse Medikamente nicht vertragen. Deshalb ist es gar nicht so überraschend, dass die Ursache von Inkontinenz auch genetisch bedingt sein kann, besonders wenn die Blasenschwäche vor dem mittleren Alter auftritt.  

Gene beeinflussen die Anfälligkeit für Inkontinenz

Ergebnisse einer Studie mit Zwillingen an der schwedischen Universität Göteborg und dem Stockholmer Karolinska Institute zeigen beispielsweise, dass sich die Anfälligkeit von Menschen für Harninkontinenz zu 51 Prozent mit genetischen Faktoren erklären lässt. Allerdings, so betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, gibt es nicht ein einzelnes Inkontinenz-Gen. Vielmehr gebe es eine Reihe verschiedener Gene, die mit unterschiedlichen Umweltfaktoren interagieren (z. B. Rauchen oder Übergewicht) und Störungen verursachen, die das Risiko einer Harninkontinenz erhöhen. 

Insgesamt untersuchten die Forscherinnen und Forscher mehr als 25.000 schwedische eineiige und zweieiige Zwillinge im Alter von 20 bis 46 Jahren. Von ihnen sammelten sie Informationen über Symptome der unteren Harnwege und über Harninkontinenz sowie zur überaktiven Blase (Reizblase) und analysierten Unterschiede, die auf genetische Varianten zurückzuführen waren.  

Inkontinenz kann in der Familie liegen

Einen direkten familiären Zusammenhang bei der Entwicklung einer Harninkontinenz ergab eine Studie der Uni Bergen. Demnach weisen Frauen ein 1,3-mal höheres Risiko für Harninkontinenz auf, wenn die Mutter ebenfalls von Inkontinenz betroffen ist. Untersucht wurde dabei das Risiko von Harninkontinenz der Töchter, Enkelkinder und Schwestern von rund 2.000 Patientinnen. 

Nächtliches Einnässen von Kindern kann erblich bedingt sein

Und auch beim Einnässen von Kindern ab fünf Jahren gibt es wissenschaftlich belegte Hinweise auf einen genetischen Einfluss bei der Entwicklung dieser besonderen Form von Inkontinenz. So kommen Ärzte und Ärztinnen nach Analyse der Daten aus der „Avon Longitudinal Study of Parents and Children“ der Universität Bristol zu dem Schluss, dass Kinder tagsüber drei- bis zehnmal häufiger von schwerer Harninkontinenz betroffen sind, wenn mindestens ein Elternteil oder beide Elternteile ebenfalls früher zu Inkontinenz neigten.

Zudem kann das nächtliche Bettnässen von Kindern (Enuresis nocturna) eine genetische Ursache haben. So zeigen verschiedene empirische Studien, dass mehr als die Hälfte der Kinder ab fünf Jahren, die nachts nicht trocken waren, Verwandte haben, die in ihrer Kindheit ebenfalls nachts von Inkontinenz betroffen waren (Petermann u. Petermann 2002).  

Kindliche Inkontinenz ist eine Frage der Zeit

Die gute Nachricht ist, dass auch eine genetisch bedingte Harninkontinenz im Laufe der kindlichen Entwicklung fast immer stetig abnimmt. So gibt das Schweizer Unternehmen Melebi, das auf die Behandlung von Enuresis nocturna spezialisiert ist, an, dass der Anteil der Kinder, die nachts einnässen, im Laufe der Jahre stetig sinkt. Sind mit fünf Jahren noch 15 bis 20 Prozent der Kinder betroffen, liegt der Anteil bei Zehnjährigen nur noch bei circa sechs Prozent und im Jugendalter bei gerade mal ein bis zwei Prozent. Das Trockenwerden ist also – auch bei erblicher Veranlagung – in der Regel nur eine Frage der Zeit.

Deshalb ist es auch besonders wichtig, dass Kinder mit Harninkontinenz im Alltag Verständnis erfahren. Das heißt, auch Ihr könnt eine Menge tun, um Euer Kind beim Trockenwerden zu unterstützen. Dazu gehört etwa, das Trinkverhalten Eures Kindes im Blick zu behalten und darauf zu achten, dass es tagsüber regelmäßig und ausreichend Flüssigkeit aufnimmt (idealerweise 1 bis 1,5 Liter Wasser). 1,5 bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen sollte hingegen möglichst nur noch wenig getrunken werden.

  • Tipp: Vielleicht hilft Euch die 7-Becher-Regel. Dabei werden 1 bis 1,5 Liter Wasser für den ganzen Tag auf sieben Becher verteilt, was das regelmäßige Trinken für Kinder einfacher macht.

Wendet Euch für weitere Informationen zudem an Euren Kinderarzt oder Eure Kinderärztin. Sie sollten in allen Fragen der kindlichen Gesundheit Eure erste Anlaufstelle sein und können Euch im Alltag mit weiteren Tipps und ggf. mit Überweisungen an fachärztliche Stellen unterstützen.

  • Übrigens: Auch von Inkontinenz betroffene Erwachsene sind in hausärztlichen oder urologischen Praxen an der richtigen Adresse. Dabei gilt: Je früher Ihr Euch ärztlichen Rat einholt, desto schneller ist eine erfolgreiche Behandlung möglich. Denn Inkontinenz lässt sich in der Regel gut therapieren.  

Fazit

Harninkontinenz ist keine Frage des Alters, sondern kann bereits in jungen Jahren auftreten. Zudem können verschiedene Risikofaktoren, wie Übergewicht, in Interaktion mit verschiedenen Genen dazu führen, dass sich das Risiko einer Harninkontinenz erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, von Blasenschwäche betroffen zu sein, steigt also, wenn Harninkontinenz in der Familie vorkommt. Für einen möglichst schnellen Therapieerfolg bei der Behandlung von Inkontinenz ist es wichtig, sich möglichst frühzeitig ärztlichen Rat und Unterstützung zu holen. Das gilt sowohl für Erwachsene als auch bei der Behandlung von Harninkontinenz bei Kindern. 




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