Enuresis – kindliche Blase außer Kontrolle
Endlich windelfrei. Das Trockenwerden ist ein Meilenstein in der kindlichen Entwicklung und kommt in der Regel im Alter zwischen achtzehn Monaten und drei Jahren von allein. Manche Kinder brauchen jedoch deutlich länger, bis sie nachts ohne Windel auskommen. Nässen sie nach dem fünften Geburtstag noch ein, sind sie von Enuresis betroffen. Und das kommt in mehr Familien vor, als Du vielleicht denkst. Grund genug, einmal genauer zu schauen, was es damit auf sich hat.

Rund dreißig Prozent der fünfjährigen Kinder nässen nachts noch ein. 

Enuresis kommt in den besten Familien vor. Doch offen darüber sprechen wollen nur die wenigsten. Es ist ein Tabuthema mit hohem Leidensdruck, besonders auf elterlicher Seite. Und die Verzweiflung nimmt zu, je älter die Kinder werden und je näher die Einschulung oder die erste Klassenfahrt mit Übernachtung rückt. Doch das nächtliche Trockenwerden lässt sich nicht erzwingen. Was also tun? Einfach nachts die Windel weglassen und darauf hoffen, dass der nasse Schlafanzug dem Kind so unangenehm ist, dass es irgendwie von allein lernt, seine Blase zu kontrollieren? In der Regel ist das keine gute Idee, denn Kinder machen nicht absichtlich ins Bett. Meist entwickelt sich bei ihnen die Blasenkontrolle einfach nur deutlich langsamer als bei anderen. Um den Druck nicht noch zu erhöhen, solltest Du deshalb auf Schimpfen oder Strafen unbedingt verzichten. Besser ist es, Verständnis zu zeigen, auf Ursachenforschung zu gehen und sich frühzeitig Hilfe beim Kinderarzt oder der Kinderärztin zu holen. 

Welches sind die häufigsten Ursachen?
Bei Enuresis wird zwischen zwei verschiedenen Formen unterschieden:

1. Die primäre Enuresis nocturna, das regelmäßige nächtliche Einnässen von Kindern nach dem fünften Lebensjahr. Sie waren oft in ihrem Leben noch nicht eine Nacht lang trocken. 

2. Die sekundäre Enuresis nocturna, das wiederkehrende nächtliche Einnässen nach einer mindestens halbjährigen Trockenphase. 
 
Die Gründe für die primäre Enuresis können vielfältig sein. Selten liegt die Ursache in einer Störung der Niere oder der Blase. Stattdessen ist eine verzögerte Reifung der Blasenkontrolle der häufigste Grund für das Bettnässen. Das heißt, betroffene Kinder werden nachts durch den Reiz der vollen Blase nicht geweckt. Dabei können auch spezielle Hormone eine Rolle spielen, die die Blase nach dem Tag-Nacht-Rhythmus steuern und dafür sorgen, dass sich die Blase nachts weniger füllt (antidiuretisches Hormon). Zudem kann Enuresis genetisch bedingt sein. Das heißt, die Veranlagung für das späte nächtliche Trockenwerden wurde vererbt. 

Weitere mögliche Ursachen sind zum Beispiel eine unterdurchschnittlich kleine Blase, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), wiederkehrende Harnwegsinfektionen, Entwicklungsverzögerungen, Verstopfung oder ein tiefer Schlaf.

Falsche Trinkgewohnheiten können ebenfalls Enuresis auslösen. Kommt das Kind beispielsweise am Nachmittag mit voller Trinkflasche aus der Schule zurück, ist der Durst abends meist so groß, dass die Blase vor dem Schlafengehen nicht mehr ausreichend entleert werden kann. In der Folge läuft sie nachts über. Dies lässt sich verhindern, indem Du darauf achtest, dass Dein Kind vor 17 Uhr mindestens drei Viertel der empfohlenen Tagestrinkmenge (1 bis 1,5 Liter Flüssigkeit) aufnimmt. Zudem sollte es unmittelbar vor dem Schlafengehen seine Blase immer in Ruhe und komplett entleeren.

Wichtig: Reduziere nicht die Trinkmenge Deines Kindes! Dies behebt nicht das Problem, sondern kann zu einer Verkleinerung der Blase führen und zudem gesundheitsgefährdende Auswirkungen haben.


Eine sekundäre Enuresis tritt häufig in Zusammenhang mit psychosozialen Problemen auf. Dies können Ängste oder Unsicherheiten sein, die das Kind belasten, etwa ein Umzug, der Verlust eines geliebten Familienmitglieds, die Geburt eines Geschwisterkindes sowie Ärger mit anderen Kindern oder mit erwachsenen Bezugspersonen (etwa in der Kita oder in der Schule). 

Wie lässt sich Enuresis behandeln?

Erste Ansprechpartner sind der Kinderarzt oder die Kinderärztin. Sie führen nicht nur Untersuchungen von Blase, Niere und Urin, sondern fragen auch nach Häufigkeit des Bettnässens und der Toilettengänge. Hilfreich ist dabei, wenn Du zuvor bereits zwei Wochen lang ein Blasentagebuch geführt hast. Darin sollte stehen, wann und wie viel Dein Kind über den Tag getrunken hat, wann es zur Toilette gegangen ist und wie viel Urin ausgeschieden wurde. Auch die Häufigkeit des Stuhlgangs solltest Du aufschreiben, denn Verstopfung kann gleichfalls zu einer Verkleinerung des Blasenvolumens führen. 
 
Je nach Untersuchungsergebnis und Alter sind verschiedene Therapien möglich. Grundvoraussetzung für den Erfolg ist, dass Dein Kind selbst trocken werden möchte. 

Bei einem Blasentraining gehst Du tagsüber zu festen Zeiten mit Deinem Kind auf Toilette. Nach und nach vergrößerst Du dann die Abstände, sodass die Blase sich daran gewöhnt, größere Harnmengen zu halten. 
 
Bei der sogenannten Alarmtherapie werden Feuchtigkeitssensoren im Schlafanzug oder auf der Matratze befestigt, die ein lautes Geräusch auslösen, wenn das Kind einnässt. Die Erfolgschancen liegen zwischen fünfzig und achtzig Prozent. Zudem ist Durchhaltevermögen gefragt, denn oft dauert es mehrere Monate, bis die Kinder lernen aufzuwachen, wenn die Blasen gefüllt ist, um rechtzeitig zur Toilette zu gehen. Erst wenn das Kind vierzehn Tage lang nacheinander trocken ist, sind die Sensoren überflüssig. 
 
Ein Biofeedback-Training kann bei Fehlfunktionen der Blasenentleerung sinnvoll sein. Dabei kann ein Gerät die Funktion des Schließmuskels bei der Blasenentleerung zum Beispiel an einem Bildschirm sichtbar machen. 
 
Medikamente können dabei helfen, die Blasenfüllung zu steuern. Dabei sorgen spezielle Wirkstoffe dafür, dass sich die Blase nachts nicht zu stark füllt. Die Erfolgschancen sollen zwischen vierzig und achtzig Prozent liegen. Allerdings besteht die Gefahr von Rückfällen, wenn das Medikament nach etwa zwölf Wochen zu schnell wieder abgesetzt wird. Eine andere Möglichkeit der medikamentösen Behandlung sind sogenannte Anticholinergika. Diese wirken an der Blasenwand und sollen das Volumen der Blase erhöhen, sodass nachts mehr Urin aufgenommen werden kann.

Tipp: Ein Kalender, in dem Dein Kind am Morgen eigenständig einträgt, ob es trocken war oder nachts auf Toilette gegangen ist, kann sehr sinnvoll sein. Das stärkt nicht nur die Eigenverantwortlichkeit Deines Kindes, sondern macht auch den Fortschritt beim Trockenwerden sichtbar. Wichtig: In der Nacht muss Dein Kind unbehindert bei guter Beleuchtung (etwa mithilfe von bewegungsgesteuerten Leuchten) zur Toilette gehen können!

Welche Produkte helfen?

Um Wäschebergen vorzubeugen, ist es sinnvoll, Deinem Kind altersgerechte Inkontinenzprodukte (Windeln oder Hosen) anzuziehen. Diese bieten eine starke Saugkraft, sodass nachts kein Urin ausläuft. Extrasicherheit können zudem wasserdichte Matratzenauflagen oder Einwegunterlagen bieten.

Wichtig: Spare nicht mit Lob, wenn Dein Kind nachts trocken geblieben ist! Ermutige es, regelmäßig auf Toilette zu gehen, und tröste es, wenn es zu Rückschlägen kommt. 

Fazit

Nässen Kinder mit fünf Jahren noch ein, können sie von Enuresis betroffen sein. Häufigste Ursache ist eine Entwicklungsverzögerung der Blasenkontrolle. Hilfreich ist, tagsüber die Trinkgewohnheiten im Auge zu behalten und darauf zu achten, dass die Kinder die meiste Flüssigkeit vor 17 Uhr zu sich nehmen. Auch entspannte und regelmäßige Toilettengänge (insbesondere unmittelbar vor dem Zubettgehen) helfen, die Blase zu kontrollieren. Unterstützung und Beratung finden Eltern bei ihrem Kinderarzt oder ihrer Kinderärztin. 




Frequently asked questions
Inkontinenz – was hilft wirklich?