Interview

Der Beckenboden: Besonderer Muskel, Blasenstärker, Lustbringer

Unsere Seni-Expertin Danijela Döring spricht mit Physiotherapeutin Jette Juhnke über den Beckenboden. Jette bietet „Spezifische Beckenbodentherapie“ an – für Frauen und auch für Männer. Sie ist 40 Jahre alt, hat zwei Kinder (9, 11 Jahre), sie lebt und arbeitet in Berlin.

Wie wichtig der Beckenboden für uns Frauen ist, wird gerade auch im Zusammenhang mit Inkontinenz immer wieder betont. Aber wo finde ich ihn überhaupt, und wie ist er aufgebaut?

Ich glaube, es gibt keine Muskelstruktur in unserem Körper, zu der wir weniger Gefühl oder Wahrnehmung haben als zum Beckenboden. Er liegt gut eingepackt und für uns nicht sichtbar im größten Gelenk unseres Köpers, dem Becken. Er hat vier knöcherne Begrenzungspunkte: Da ist vorne das Schambein. Bewegt man im Sitzen das Becken etwas hin und her, spürt man an beiden Seiten die sogenannten Sitzbeinhöcker. Das sind die seitlichen Begrenzungspunkte. Und wenn man hinten die Wirbelsäule bis zum Ende runter tastet, kommt man zum Steißbein, das ist der hintere Begrenzungspunkt. Die Muskeln überziehen die ganze Fläche zwischen diesen vier Punkten und sind damit ungefähr anderthalb Hände groß. Der Beckenboden liegt dort wie eine Hängematte und hält die inneren Organe davon ab, nach unten zu fallen.

Eigentlich spüren wir unseren Beckenboden ein Leben lang, sind uns dessen nur nicht immer bewusst.

Wie können wir den Beckenboden bewusst spüren?

Eigentlich spüren wir unseren Beckenboden ein Leben lang, sind uns dessen nur nicht immer bewusst – nämlich immer, wenn man auf Toilette muss. In dem Moment, wo man den Drang spürt, aber noch nicht auf der Toilette sitzt, spannt man seinen Beckenboden an. 

Kannst Du uns eine einfache Übung beschreiben, die den Beckenboden gezielt ansteuert?

Gerne. Aufrecht hinsetzen und sich dabei noch mal vorstellen, dass zwischen den Sitzbeinhöckern, Schambein und Steißbein unser Beckenboden liegt. Versuche nun, diesen nach innen oben hoch anzuspannen, also reinzuziehen und oben zu halten. Dabei weiter atmen und noch einmal nachspannen. Ein weiteres Mal richtig kräftig hochziehen und halten. Noch einmal nachspannen – zwei, eins – und wieder lockerlassen. Noch ein Tipp: nicht das Gesäß anspannen. Wenn man lockerlässt, und der Po sinkt herab, dann war die Gesäßmuskulatur im Spiel, nicht der Beckenboden. Das war die Variante für lang anhaltende Anspannungen. Kurze, schnelle Anspannungen lassen sich auch trainieren. Die braucht man für eine Druckerhöhung während des Hustens oder Niesens, damit in dem Moment dieser verschließende Bereich kraftvoll ist. Und so geht’s: Du spannst Deinen Beckenboden an, hältst ihn zwei Sekunden und lässt ihn wieder locker. Das ganze bitte fünfmal wiederholen. 

Es ist ein Herzensanliegen von mir, die Sexualität raus aus der Schmuddelecke und rein in die Gesundheitsprävention zu holen.

Beim Yoga spüre ich meinen Beckenboden besonders bewusst, und auch beim Sex lässt sich die Anspannung der Beckenbodenmuskeln fühlen …

Es ist ein Herzensanliegen von mir, die Sexualität raus aus der Schmuddelecke und rein in die Gesundheitsprävention zu holen. Wie fühlst Du Dich, wenn Du einen Orgasmus hast? Hoffentlich großartig. Wie ist das für Dein Herz-Kreislauf-System und für die Psyche und die Partnerschaft? Wunderbar! Und ja, Du kannst auch mit Dir alleine sexuell aktiv sein und einen Orgasmus haben. In dem Moment, wo wir einen genitalen Orgasmus haben, haben wir eine komplette Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur. Das ist das beste Training! 

Aber es gibt doch sicher auch außer dem Orgasmus noch gute Übungen, um den Beckenboden zu trainieren, oder?

Ja, es handelt sich um einen kräftigen Muskel, aber anders als der Bizeps. Ich empfehle zum Beispiel keine Gewichte, sondern eher Entspannung: Der Beckenboden versucht ohnehin schon den ganzen Tag, den Druck von oben zu halten. Es macht keinen Sinn, zu Trainingszwecken noch mehr Gewicht draufzulegen. Die Muskelstruktur braucht Spannung, aber auch Entspannung. Gerade wenn Du eine Inkontinenz hast, neigst Du eher dazu, eine größere Anspannung im Beckenboden zu haben, denn Du kannst ja gar nicht lockerlassen. Ich vergleiche das immer mit den Schultern: Wenn uns kalt ist und wir die Schultern schon sehr hochgezogen haben, und es kommt jemand und sagt: Zieh doch mal die Schultern hoch. Dann passiert gar nicht mehr so viel. Das heißt, manchmal muss ich erstmal entspannen, damit ich überhaupt wieder in eine Anspannung gehen kann. 

Sind wir in Sachen Beckenbodentraining also zu ehrgeizig geworden? Gerade jungen Müttern wird das doch sehr empfohlen ….

An alle Frauen, die gerade ein Kind geboren haben und im Wochenbett liegen: Bitte bleibt erst einmal liegen! Natürlich dürft ihr euch bewegen, natürlich dürft ihr aufstehen und spazieren gehen, aber bitte keine „High-Impact-Sachen“ im ersten Lebensjahr des Kindes unternehmen. Es braucht einfach Zeit. In dem Moment, wo wir stillen, sind alle unsere Bänder noch sehr viel weicher und elastischer.

Eine weitere Frage zum Sport: Stimmt es, dass man sich durch Sit-ups eine Blasensenkung antrainieren kann? Ich brauche doch auch die Bauchmuskulatur, die alles zusammenhält, oder?

Sit-ups empfehle ich grundsätzlich nicht, sondern würde die Bauchmuskulatur lieber in einer statischen Variante kräftigen, zum Beispiel durch Plank-Übungen. Es gilt aber auch: Allein durch Sit-ups wird man nicht für eine Senkung sorgen, da spielen dann meist vorherige Geburten eine Rolle. 

Der männliche Beckenboden ist anders aufgebaut als der weibliche.

Noch mal zum Thema Sex. Eine Expertin hat gesagt: Wenn Männer wüssten, welchen Einfluss ihr Beckenboden auf ihren Penis hat, wären die Muckibuden leer und die Beckenbodenzentren voll. Ist da was dran?

Ja, der männliche Beckenboden ist wirklich anders aufgebaut als der weibliche. Während der weibliche eher einer Platte gleicht, ist der männliche Beckenboden eher trichterförmig, weil es keine Gebärmutter gibt. Der männliche Beckenboden befindet sich mehr im Dammbereich. Das heißt, Männer können ihren Penis sowohl reinziehen als auch anheben. Sie haben also die Möglichkeit zu sehen, ob sie ihren Beckenboden gerade anspannen oder nicht. Diese Muskulatur im Dammbereich zwischen Anus und Hoden geht einmal zirkulär um die Harnröhre und um die Schwellkörper herum. Wenn die Muskulatur also angespannt ist, entsteht eine Kompression auf die Schwellkörper und eben auch auf die Harnröhre. Durch diese Anspannung kann das Zurückfließen des Bluts aus dem Penis verhindert und so eine Erektionsfähigkeit durch Beckenbodentraining erreicht werden. Nach meiner Erfahrung, die ich mit Männern in der Behandlung mache, gilt auch für das männliche Geschlecht: Lasst uns Sexualität als Gesundheitsprävention sehen! Wir sind gesünder, wir sind vitaler, wir sind auf allen Ebenen besser, wenn wir regelmäßig sexuell aktiv sind! 

Was wünschst Du Dir neben einem neuen Körper-Bewusstsein sonst noch im Hinblick auf einen gesunden, starken Beckenboden?

Es müsste eigentlich so eine Art Aufklärungsbroschüre geben: Wie pflege ich meinen Beckenboden? Weil ich ihn bis ins hohe Alter brauche. Arztpraxen sollten diese Informationen vor allem auch jungen Frauen schon unaufgefordert zur Verfügung stellen. Damit würden manche Probleme im späteren Leben erst gar nicht entstehen. 




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