Kindliches Einnässen ist ein Tabuthema. Nur wenige Eltern geben offen zu, dass das eigene Kind im Grundschulalter seine Harnblase nicht kontrollieren kann. Das ist wenig verwunderlich, besonders wenn befreundete Mütter und Väter schon vor Jahren stolz bekanntgegeben haben, dass die letzte Windelpackung aufgebraucht wurde. Leider wird beim Trockenwerden oft vergessen, dass die kindliche Kontinenz kein Wettbewerb ist, sondern ein Reifeprozess, der bei manchen Kindern länger dauert als bei anderen. Oftmals erledigt sich das Thema im Laufe der Entwicklung schließlich doch von selbst. Manchmal benötigen Kinder gemeinsam mit ihren Eltern aber auch Unterstützung. Und hier kommt die Urotherapie ins Spiel, ein spezielles Verhaltenstraining, das zum Beispiel im Bereich der Urologie in Kinder- und Jugendkliniken angeboten wird.
Urotherapie – Hilfe bei kindlicher Inkontinenz
Ein Kind, das tagsüber und nachts keine Windel mehr braucht, hat einen Meilenstein seiner Entwicklung erreicht. Oftmals ist dies im Alter zwischen drei und vier Jahren der Fall. Aber nicht immer. Manche Kinder sind im Grundschulalter noch nicht trocken und können vor allem nachts ihren Harndrang nicht kontrollieren. Die Eltern machen sich verständlicherweise Sorgen und sehen mit Unbehagen mehrtägigen Ausflügen entgegen. Um solche Situationen zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, rechtzeitig mit Urotherapie zu beginnen. Wir von SENI/Leben ohne Druck erklären Dir hier, was hinter dieser Behandlungsmethode steckt.
Eine Urin- oder Stuhlinkontinenz gilt erst ab einem Alter von fünf Jahren als Krankheitsbild.
Welches sind die häufigsten Formen der kindlichen Harninkontinenz?
Blasenprobleme kennen kein Alter. Können bei Kindern organische Ursachen für die Harninkontinenz ausgeschlossen werden, wird diese ab einem Alter von fünf Jahren in verschiedenen Formen unterschieden:
- Monosymptomatische Enuresis nocturna: Kinder nässen nur nachts, aber nicht tagsüber ein.
- Nichtmonosymptomatische Enuresis: Kinder nässen sowohl am Tag als auch in der Nacht ein.
- Funktionelle Harninkontinenz: Kinder nässen ausschließlich tagsüber ein.
Egal um welche Inkontinenzform es sich handelt, der Leidensdruck besonders bei den Eltern ist groß. Da die Kinder nicht absichtlich einnässen, empfehlen wir Dir, grundsätzlich verständnisvoll zu reagieren. Emotionaler Druck oder falscher Ehrgeiz führen nicht zu einer Verbesserung der Symptome.
Eine Verringerung der Trinkmenge ist kontraproduktiv.
Wichtig:
Eine Verringerung der Trinkmenge ist kontraproduktiv! Zum einen weil die Harnblase daran „gewöhnt“ wird, weniger Urin aufzunehmen, und dadurch schneller reagiert, wenn sie sich füllt. Und zum anderen führt eine geringere Flüssigkeitsaufnahme dazu, dass die Nieren nicht mehr gut durchspült werden. Gleichzeitig erhöht sich die Konzentration des Urins, was wiederum die Blase reizt und Inkontinenzsymptome verstärkt. Darüber hinaus lähmt eine zu geringe Trinkmenge den Darm, was zu Verstopfungen führen kann. Der volle Darm drückt dann auf die Harnblase, sodass das Risiko steigt, dass sich die Inkontinenz verschlimmert.
Sinnvoller ist es hingegen, im Alltag darauf zu achten, dass Dein Kind über den Tag verteilt genug Flüssigkeit zu sich nimmt. Im Alter von vier bis zehn Jahren sollte das mindestens ein Liter sein. Jugendliche ab einem Gewicht von zwanzig Kilogramm benötigen mindestens 1,5 Liter. Wichtig: Die Angaben hängen von der Aktivität und der Temperatur ab. Treibt Dein Kind Sport oder ist es draußen sehr warm, benötigt es mehr Flüssigkeit! Perfekte Durstlöscher sind stilles Wasser und stark verdünnte Saftschorlen.
Wie läuft eine Urotherapie ab?
Im Vorfeld des ersten Kennenlernens wirst Du wahrscheinlich gebeten, zum Beispiel eine Woche lang täglich zu protokollieren, wann, was und wie viel Dein Kind trinkt, wann es auf Toilette geht und wie oft es einnässt. Diese Informationen sind eine wichtige Grundlage, damit die Urotherapeutinnen und Urotherapeuten einen ersten Eindruck der Istsituation bekommen. Ein genaueres Bild entsteht dann vor Ort anhand von Gesprächen und von verschiedenen Untersuchungen.
Steht fest, dass die Harninkontinenz Deines Kindes keine organischen oder körperlichen Ursachen hat, werden die Trinkgewohnheiten, der übliche Tagesablauf sowie die Lebensumstände unter die Lupe genommen. Typisch sind beispielsweise Fragen wie:
- Vergisst Dein Kind, tagsüber regelmäßig zu trinken, und ist deshalb am Abend besonders durstig?
- Gibt es Gründe, warum es zum Beispiel in der Schule nicht zur Toilette gehen möchte?
In Gruppen mit anderen Kindern und deren Eltern geht es zudem darum, Deinem Kind altersgerecht zu erklären, wie Kontinenz entsteht. Außerdem trinkt es vor Ort nach Plan und steigert spielerisch die Menge, sodass es aktiv lernt, seinen Körper wahrzunehmen und seine Harnblase zu trainieren sowie zu kontrollieren.
Um festzustellen, wie lang Dein Kind braucht, seine Blase zu entleeren, stehen spezielle Toiletten zur Verfügung, die den Druck des Urinstrahls messen. Üblich sind im Anschluss zudem schmerzfreie Ultraschalluntersuchungen, die das Ziel haben, etwaigen Restharn in der Harnblase zu erkennen.
Nach Ende aller Untersuchungen legen die medizinischen Spezialisten Maßnahmen für die individuelle Behandlung fest. Dazu gehören in der Regel ein Trink- und meist auch ein Toilettenplan, der täglich eingehalten werden soll. Erfolgskontrollen der Therapie finden alle vier Wochen bis alle drei Monate statt. Je nachdem wie gut die individuelle Behandlung funktioniert hat, werden Änderungen an den Plänen vorgenommen und nächste Ziele besprochen.
Das heißt, Voraussetzung für eine erfolgreiche Urotherapie sind Durchhaltevermögen aufseiten des Kindes und der Eltern. Eine medikamentöse Unterstützung ist in der Regel nur in Ausnahmefällen notwendig.
Fünf Tipps für Kinder: Blasentraining zu Hause
- Achte darauf, dass Dein Kind achtzig bis neunzig Prozent seiner täglichen Trinkmenge vor 18 Uhr aufgenommen hat.
- Vielleicht hilft Euch beim Verteilen der Trinkmenge die Sieben-Becher-Regel: Ein Becher Flüssigkeit (stilles Wasser, stark verdünnte Saftschorlen) zum Frühstück, zwei Becher am Vormittag, ein Becher zum Mittagessen, zwei Becher am Nachmittag, ein Becher am Abend.
- Achte darauf, ob Dein Kind täglich Stuhlgang hat. Verdauungsfördernd sind unter anderem ballaststoffreiche Lebensmittel, etwa Vollkornprodukte, Kartoffeln, Pflaumen oder Birnen. Bei Fragen ist Deine Kinderärztin oder Dein Kinderarzt eine gute Anlaufstelle.
- Erkläre Deinem Kind, wie es auf der Toilette eine entspannte Sitzposition einnimmt. Hilfreich kann ein Hocker für die Füße sein, ein Toilettensitz oder eine angenehme, ruhige Umgebung.
- Erinnere Dein Kind daran, alle drei Stunden zur Toilette zu gehen. Dabei sollte es zunächst nur auf der Toilette sitzen, um dann willentlich die Blasenentleerung zu starten. Tipp: Fest eingestellte Alarmsignale auf Deinem Handy können Dir helfen, Dein Kind an die Toilettenzeiten zu erinnern.