Birgit Bulla ist die deutsche Inkontinenz-Influencerin. Auf Instagram erzählt sie als @pinkelbelle über ihr Leben mit Reizblase. Unsere Seni-Expertin Danijela Döring hat mit ihr gesprochen und erfahren, was am besten gegen Inkontinenz hilft.
Interview
Am Anfang war ich supersauer auf meine Blase.
Unsere Expertin Danijela Döring im Gespräch mit Birgit Bulla
Hallo Birgit, ich freue mich sehr, dass wir heute miteinander reden. Denn ich bin immer wieder überrascht, wie sehr Inkontinenz noch ein Tabuthema ist. Dabei sind allein in Deutschland 10 Millionen Menschen betroffen.
Ja, es ist wichtig, dass wir über Inkontinenz sprechen. Denn dadurch bauen wir viele Barrieren ab, die überhaupt gar nicht nötig sind.
Magst Du kurz sagen, was Dich mit dem Thema Inkontinenz verbindet?
Ja, klar. Ich habe seit über 10 Jahren eine Reizblase und deswegen beschäftige ich mich ganz intensiv mit der Blase und Inkontinenz. Ich hatte immer schon eine Eichhörnchenblase. Das habe ich von meiner Mutter, die hatte es von ihrem Vater. Die Bullas mussten immer schon oft auf die Toilette. Kleiner fun Fact: Bulla heißt auf lateinisch Blase, deshalb musste es wohl so sein. Aus all dem ist dann mein Instagram Account @pinkelbelle entstanden. Inzwischen habe ich darüber auch mein Buch „Noch ganz dicht? Alles Wissenswerte über die Blase“ geschrieben.
Erinnerst Du Dich noch, wann das mit Deiner Reizblase angefangen hat?
Oh ja, ganz genau. Ich war mit meiner Zwillingsschwester in San Francisco. Und plötzlich merke ich: Oh fuck, ich muss so dringend aufs Klo wie noch nie. Das hat sich wirklich alles ganz anders angefühlt als sonst. Und ich bin dann gleich ins nächste Café und hab so einen Niagara Fälle Schwall erwartet - und so war das gar nicht. Das hat ein bisschen geplätschert und mehr nicht. Damit fing es an. Wenn sich meine Blase meldet, habe ich 20 Sekunden. Weil sich bei mir der Blasenmuskel so intensiv zusammendrückt, dass der Schließmuskel das nicht mehr halten kann.
Wie kann ich mir das vorstellen, wie bist Du unterwegs, wie kommst Du im Alltag klar?
Am Anfang war das wirklich ganz schlimm. Ich habe gedacht, ich kann jetzt nicht mehr rausgehen. Weil, wenn ich aufs Klo muss und da ist keins oder da ist eine Schlange, dann ist das Game Over. Aber Du kannst Dir bei einer Reizblase viel Hilfe holen und das habe ich gemacht. Inzwischen lasse ich mir Botox spritzen und dadurch ist mein Alltag wieder relativ normal.
Es ist toll, dass es inzwischen solche Therapien gibt. Bei Dir auf dem Blog steht ja, dass das Botox ohne Narkose direkt in die Blase gespritzt wird. Da brauchst Du aber ein starkes Nervenkostüm, oder?
Ganz ehrlich, meine erste Reaktion war: Ich lass mir doch auf keinen Fall Botox ohne Narkose in die Blase spritzen? Aber die Vollnarkose bedeutet, dass ich eine Nacht im Krankenhaus bleiben muss. Also habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und siehe da, es dauert keine 10 Minuten. Es klingt zwar grauenhaft, aber ist es überhaupt nicht.
So wie Du das erzählst, finde ich es mutig und toll, dass Du Dich überwindest. Denn was ich ja auch immer mitbekomme, dass Inkontinenz nicht nur körperlich ist, sondern auch psychisch. Ich stelle immer wieder fest, dass gerade Frauen sehr darunter leiden, mit ihrer Blasenschwäche klarzukommen. Erlebst Du das auch?
Absolut! Es ist natürlich krass, wenn Du mit Mitte 20 merkst, ich mach mir in die Hose. Ich hatte so viele Emotionen. Ich war geschockt, ich war supersauer auf meine Blase. Ich habe gedacht, Du fiese Blase, was soll das? So eine Unverschämtheit. Aber dann hat es klick gemacht und ich habe gemerkt, dass ich mit meiner Reizblase umgehen kann. Ist es unangenehm und nervig? Ja. Aber es ist keine Krankheit, es ist eine Beschwerde.
War das auch die Motivation bei Deinem Blog und Deinem Buch?
Ja. Es gibt viel, dass wir noch lernen und verstehen müssen und wir tun es nicht, weil uns das peinlich ist. Gerade auch als junge Frau stoße ich bei Ärzt*innen an einige Grenzen, weil ich merke, die verstehen nicht 100 % was ich brauche. Mir wurde auch schon gesagt, dass meine Reizblase psychosomatisch ist. Was ja immer Code ist für: Das bildest Du Dir nur ein. Und dabei ist das so ein sensibles Thema, wo viel mehr dazu gehört als: Hier sind die Medikamente und auf Wiedersehen.
Es ist schade, dass Du allein gelassen wirst und Dir eigentlich alles selbst recherchieren und zusammensuchen musst. Denn Du bist ja auch nicht die Erste und auch nicht die Einzige.
Ja, schau Dir das Thema Kinder kriegen an. Ich weiß das aus dem Freundeskreis, danach waren alle inkontinent. Aber es wird totgeschwiegen. Die Frauen erschrecken sich und denken das Leben ist jetzt vorbei. Aber nee, du musst nur wissen, was du nach der Geburt machen musst. Aber das sagt Dir keiner, weil es allen so egal ist. Und das ist erstaunlich.
Auch bei älteren Frauen ist da so eine Scham darüber zu sprechen. Und sie suchen sich keine Hilfe. Das sitzt tief und fest und deshalb finde ich Dein Engagement so wichtig.
Es ist auch immer nicht so, dass ich sage: Hey, alles easy. Aber es sind so viele Menschen davon betroffen. Also reden wir darüber.