Depressionen und Inkontinenz – die dunkle Verbindung
„Mens sana in corpore sano“ lautet ein berühmter lateinischer Ausspruch des römischen Dichters Juvenal, ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. In diesem Sprichwort verbirgt sich viel Wahrheit. Doch was tun, wenn eines von beidem, Geist oder Körper, in Schieflage gerät? Und inwiefern bedingen sich Psyche und Blase?

Fakt: Fast jeder dritte Mensch leidet im Lauf seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung.

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit

Wechselwirkung von Psyche und Blase

Egal ob Dranginkontinenz, Belastungsinkontinenz oder eine andere Form, wenn Betroffene unter Harninkontinenz leiden, ist auch schnell das Selbstbewusstsein dahin. Wenn Selbstbestimmung und Lebensqualität eingeschränkt sind, ziehen sich Betroffene oft zurück und leiden im Stillen. Dies führt nicht selten dazu, dass auch die Psyche in Mitleidenschaft gezogen wird. In einigen Fällen kann es sogar zu einer depressiven Verstimmung oder gar einer ernsthaften Erkrankung der Psyche kommen.

Doch auch umgekehrt können Psyche und Blase in Verbindung stehen. Menschen mit Depressionen erleben oft Stress und schwere emotionale Belastungen. Diese Symptome können Muskelverspannungen im Beckenbereich verursachen, was die Kontrolle über die Blase beeinträchtigen kann. In solchen Fällen kann eine Stressinkontinenz auftreten, bei der Urin ungewollt bei körperlicher Anstrengung oder psychischer Belastung freigesetzt wird. Auch Antriebslosigkeit und ein geringes Selbstwertgefühl sind Symptome psychischer Probleme und können dazu führen, dass Betroffene weniger auf ihre körperliche Gesundheit und Hygiene achten.

Dies kann dazu führen, dass Inkontinenzsymptome vernachlässigt werden oder dass nicht angemessen darauf reagiert wird. Menschen mit Depressionen neigen zudem dazu, sich von sozialen Aktivitäten zurückzuziehen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie Inkontinenzsymptome verheimlichen und mit sich selbst ausmachen. Das Aufsuchen eines Facharztes und die aktive Bekämpfung der Ursachen werden so versäumt, die Inkontinenz wird still toleriert. Dieser Teufelskreis kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und die Behandlung von sowohl Depressionen als auch Inkontinenz komplexer gestalten. 

Das Alter als Faktor

Das Alter spielt bei der Wechselwirkung von Psyche und Physis eine Rolle, denn ältere Menschen sind von beidem, Depressionen und ungewolltem Urinverlust, häufiger betroffen. Sogenannte subklinische Depressionen, eine leichtere Form, bei denen Erkrankte nicht unter allen Symptomen leiden, treten bei älteren Menschen zwei- bis dreimal so häufig auf. Auch diese leichtere Form der Erkrankung stellt eine deutliche gesundheitliche Beeinträchtigung und einen Verlust von Lebensqualität dar. Zudem kommen mit zunehmendem Alter körperliche Leiden und Gebrechen hinzu. Bei Männern kann eine Vergrößerung der Prostata, bei Frauen können die Wechseljahre Inkontinenz begünstigen. 

Medikamente als Auslöser

Eine weitere Verbindung zwischen psychischen Problemen und Harninkontinenz liegt in der möglichen Nebenwirkung bestimmter Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Einige Antidepressiva, insbesondere trizyklische Antidepressiva und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), können die Blasenfunktion von betroffenen Patienten beeinflussen und zu Inkontinenz führen. Dies ist ein wichtiger Punkt, den sowohl Ärzte als auch Patienten bei der Auswahl und Verwaltung von Medikamenten beachten sollten. 

Ursachen und Möglichkeiten

Die Ursachen für ungewollten Urinverlust sind so vielfältig wie die Betroffenen selbst. Bei Männern kann mit zunehmendem Alter eine vergrößerte Prostata zum Problem werden, denn sie engt die Harnröhre ein und drückt auf die Blase. Aber auch neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer oder Multiple Sklerose können Auslöser einer Harnkontinenz sein. Während bei jüngeren Frauen oft der geschwächte Beckenboden infolge einer Geburt der Auslöser für Harninkontinenz ist, ist es bei älteren Frauen oft die Menopause. Die gute Nachricht lautet: So vielfältig die Formen der Harninkontinenz und so breit das Spektrum der Betroffenen, so individuell sind auch Therapien und Möglichkeiten der Heilung beziehungsweise eine Minderung der Symptome. 

Keine Angst vor Offenheit

Selbst aktiv zu werden, erscheint während einer depressiven Episode oft kaum vorstellbar. Doch es macht einen entscheidenden Unterschied, das eigene Befinden aktiv in die Hand zu nehmen. Das Gleiche gilt für den Umgang mit Inkontinenz. Ein selbstbestimmtes Handeln und offener Umgang mit dem Thema führen oft zu einer persönlichen Entspannung. Warum also nicht die Lieblingskollegin, den besten Kumpel oder Sportskollegen einweihen? Das schafft eine persönliche und vertrauensvolle Verbindung, der beide Seiten etwas abgewinnen können. Auch der Austausch in Selbsthilfegruppen oder Internetforen ist eine Möglichkeit, offen und transparent mit den Tabuthemen Depressionen und Inkontinenz umzugehen. Denn in beiden Fällen können soziale Kontakte der Weg zu mehr Selbstbestimmtheit und Lebensqualität sein. 

Diagnose durch Experten

Der Zusammenhang zwischen urologischen Symptomen wie Harninkontinenz und psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Ängsten ist für Experten unumstritten. Dabei ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Mensch mit Depressionen Inkontinenz entwickelt oder umgekehrt. Die Beziehung zwischen den beiden Zuständen ist komplex und variiert von Person zu Person. Wenn jemand sowohl an Depressionen als auch an Inkontinenz leidet, ist es wichtig, beide Probleme individuell zu behandeln. Eine medizinische Untersuchung und die Zusammenarbeit mit Fachleuten, wie einem Psychiater oder einer Psychiaterin und einem Urologen oder Urologin, sind bei der Diagnose und Behandlung unbedingt empfehlenswert und in jedem Fall hilfreich. 




Frequently asked questions
Inkontinenz – was hilft wirklich?